Das nachhaltige Rennauto – Vorbild für die Mobilität der Zukunft?
Das Racing-Team „Four Motors“ arbeitet daran, Autorennen insgesamt nachhaltiger und umweltfreundlicher zu machen und setzt dabei auf Recycling-Öl, E20-Kraftstoff und Bio-Leichtbauteile. Was bringt uns das für die Mobilität der Zukunft? Sarah hat mit dem Racingteam-Chef Thomas von Löwis of Menar gesprochen, um es rauszufinden.
Was ist das Bioconcept-Car?
Das Bioconcept-Car ist eine nachhaltige Plattform für nachhaltige Technologien, die im Rennsport zur Anwendung kommt, aber auch Bezug zum alltäglichen Straßenverkehr hat. Im Jahr 2000 haben wir angefangen mit Smudo Rennen zu fahren, den die Öffentlichkeit vor allem durch die Hip-Hop-Gruppe „Die Fantastischen Vier“ kennt. 2003 hat Four Motors zusammen mit ihm den fantastischen Bio-Beetle auf die Rennstrecke gebracht. Der Beetle fuhr mit Biodiesel, war das erste alternative Rennauto und hat auch gegen die Konkurrenz, die mit Mineralöldiesel fuhr, gewonnen. Bei dem Einsatz von Biodiesel blieb es aber nicht, wir wollten mehr. Später kam uns dann die Idee für den Einsatz von Biofasern für unsere Rennautos. Normalerweise werden in Rennfahrzeugen Leichtbauteile aus Kohlefasern verwendet, für unser Bioconcept-Car wollten wir aber Biofasern einsetzen. Diese Biofaserteile sparen gegenüber den Kohlefaserteilen bis zu 80 Prozent CO2 ein.
Quelle: Four Motors/ElfImages Motorsport
Thomas von Löwis auf der Rennstrecke neben einem der Bioconcept-Cars.
Wie ging es dann weiter?
2006 kam also unser erstes Bioconcept-Car, der Ford Mustang GT RTD, angetrieben mit Biodiesel und mit einer Karosserie aus nachwachsenden Rohstoffen. Seither arbeiten wir auch mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft zusammen, dass die Biofaserentwicklung im Rahmen eines Förderprojekts über die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe subventioniert. Im Laufe der Zeit entwickelten wir dann noch weitere nachhaltige Rennautos und verbesserten sie fortlaufend für mehr Nachhaltigkeit, ohne Performanceverlust. Seit 2011 haben wir das Fraunhofer WKI an Bord und mittlerweile kooperieren wir auch seit vier Jahren mit Porsche. Das Bioconcept-Car hat in den Augen von Porsche, in der Politik und in der Wahrnehmung der Endverbraucher einen hohen Stellenwert erreicht. Denn wir zeigen Technologien auf, mit denen es möglich ist, weniger CO2 auszustoßen, trotzdem mobil zu bleiben – und vor allem: die sich, anders als die Elektromobilität, schon morgen flächendeckend einsetzen ließen. Die Idee war von Anfang an, mit unserem Bioconcept-Car die Thematik der Nachhaltigkeit an die Öffentlichkeit zu tragen. Das hat lange gedauert, aber gute Dinge brauchen manchmal länger.
Quelle: Four Motors/ElfImages Motorsport
Der Porsche 718 Cayman GT4 im Einsatz.
Sehen Sie sich damit als Vorbild in der Rennsportszene? Folgen andere Teams ihren Ideen?
Es gibt natürliche eine hohe Zahl an Ewiggestrigen, diese Leute glauben nicht an den Klimawandel, der auch bei uns in Deutschland an die Tür klopft. Diese Menschen kann man nur überzeugen, indem wir ihnen zeigen, dass unsere Biofaserteile so gut sind, dass sie konkurrenzfähig sind gegenüber den Kohlefasern. Das ist ein langwieriger Prozess. Aber es gibt in der Zwischenzeit auch Teams, die bei uns anfragen und unsere Materialien nutzen möchten. Außerdem gibt es Unternehmen, die sich mit uns zusammensetzen wollen, um ihr Portfolio an nachhaltigen Produkten zu erweitern und zu verbessern. Die Umsetzung ist nicht immer einfach und die Unternehmen legen Wert auf Kostenminimierung. Aber wir können mit einem guten Beispiel vorangehen und versuchen auch andere zu inspirieren, ihre Produkte und Abläufe nachhaltiger zu gestalten – nicht ohne Erfolg. Das Interesse an nachhaltiger Mobilität und die Offenheit für CO2-sparende Alternativen wächst zunehmend, das ist eine Entwicklung, die uns sehr freut. Wir agieren in der Automobilindustrie, diese wird prinzipiell nicht als besonders nachhaltig wahrgenommen. Umso wichtiger ist es für uns, hier Anregungen und Anstöße zu geben, damit die anderen uns auch folgen können.
Aus welchen Rohstoffen bestehen Ihre Bioleichtbauteile und woher werden sie bezogen?
Die Rohstoffe für unsere Bioleichtbauteile waren Raps, Hanf und Baumwolle. Die aktuellen Leichtbauteile sind aus Flachsfasern – also Leinen – gefertigt. Für unsere Fasertechnologie arbeiten wir zusammen mit unserem Partner Bcomp aus der Schweiz. Bcomp ist keine große Weberei, sondern ein Entwickler für Materialgewebe. Die Ingenieur*innen bei Bcomp entwickeln Gewebe, die genauso gut wie Glasfasern sind oder fast genauso gut wie Kohlefasergewebe – in manchen Bereichen sogar besser. Neben der geringeren CO2-Emission ist ein entscheidender Vorteil der Biofasern, dass bei ihrer Bearbeitung kein Feinstaub entsteht, wie es bei Kohlefasern der Fall ist. Dieser Feinstaub ist höchstgefährlich für die Atemwege und kann Arbeiter*innen gefährden. Denn Nachhaltigkeit bedeutet nicht nur Umweltbewusstsein, sondern auch soziale Verantwortung.
Quelle: Four Motors/ElfImages Motorsport
Nahaufnahme der Bioleichtbauteile
Quelle: Four Motors/ElfImages Motorsport
Nahaufnahme der Bioleichtbauteile
Hergestellt werden die Materialien dann von verschiedenen Webereien. Es ist dabei so, dass die Qualität der verarbeiteten Fasern je nach Wachstumsbedingungen schwanken kann. Das ist ein großes Problem für die produzierten Gewebe. Wenn man sie flächendeckend anbieten möchte, muss die Qualität kontinuierlich einen gewissen Standard haben. Kohlefasern und Glasfasern haben dieses Problem nicht, ihre Beschaffenheit bleibt immer dieselbe. Das stellt also eine gewisse Herausforderung für uns dar. Bcomp beschäftigt sich mit großem Erfolg mit der Entwicklung und Verbesserung der Gewebe, um ein gleichbleibendes Qualitätsniveau zu gewährleisten.
Quelle: Four Motors/ElfImages Motorsport
Nahaufnahme der Bioleichtbauteile
Quelle: Four Motors/ElfImages Motorsport
Heck des Autos aus Bioleichtbauteilen
Was hat es mit Ihren Recyclingölen auf sich? Wie funktioniert das Ganze?
Aus Erdöl werden ganz verschiedene Dinge hergestellt. Auf der einen Seite werden Schmieröle und Kraftstoffe und auf der anderen Chemieprodukte erzeugt. Jeder Verpackungsstoff, der uns im Alltag begegnet, ist üblicherweise aus Erdöl. Mittlerweile gibt es hierfür aber auch alternativen wie Bioplastik. Wenn es aber um Schmieröle geht, dann läuft das Recycling so ab: Das „verbrauchte“ Motoröl, also das Altöl, wird nach dem Ölwechsel gesammelt und in eine Raffinerie gebracht. Dort wird das Öl reraffiniert, also gereinigt. Heraus kommt ein gereinigtes Grundöl. Hier kommt unser Partner Wolf Oil ins Spiel. Wolf Oil verwendet das recycelte Öl als Basisöl wieder und veredelt es noch mit sogenannten Additiven, sodass ein Hochleistungsöl – in unserem Fall für Motor- oder Getriebe – entsteht. Im Grunde kann Öl diesen Kreislauf also immer wieder, mit wenigen Verlusten (ca. 20 Prozent), durchlaufen. Die Art und Weise des Reraffinierens wird auch immer besser. Qualitativ haben die Recycling-Öle keinen Nachteil gegenüber einem sogenanntem „virgin oil“, welches mit Erdöl direkt aus dem Bohrloch hergestellt wird. Aber auch hier gibt es die Ewiggestrigen, die kein Recycling-Öl verwenden möchten, sondern nur auf „virgin oil“ setzen. Wir hoffen, dass sich das in Zukunft, auch durch unsere Anstrengungen, verbessert.
Wie wird Ihr E20 Kraftstoff hergestellt und sehen Sie ihn auch als Alternative außerhalb des Rennsports?
E20-Kraftstoff bedeutet, dass der Kraftstoff, mit welchem wir fahren, zu 20 Prozent aus Bioethanol besteht. Dieses Bioethanol wird aus Bio-Reststoffen, also unter anderem Abfallprodukten aus der Futtermittelerzeugung, hergestellt. Das läuft über unseren Partner CropEnergies. Bioethanol ist ein äußerst leistungsfähiger Kraftstoff und er spart. Besonders wichtig ist aber auch, dass E20 gegenüber Super Plus bis zu 60 Prozent Ruß einspart, denn der ausgesetzte Feinstaub ist sehr bedenklich für unsere Gesundheit der Lungen. Ich kann nur Denkanstöße geben und zeigen, dass es bei uns funktioniert. Einige sagen zu uns, wir seien Heuchler, wir wollen doch nur unsere Rennen fahren und streichen uns dann grün an. Diesen Leuten muss ich natürlich begegnen und sagen: „Wenn ich die Ewiggestrigen überzeugen möchte, dann am besten auf der Rennstrecke. Motorsport ist seit jeher ein Labor für die Straße. Und als Teststrecke entspricht 1 km Nordschleife ca. 20 km auf der Straße. Nicht umsonst heißt es: ‚Jeder lobt, was der Nürburgring erprobt‘“. Hier testen wir die Technologien auf Herz und Nieren und zeigen, was wir draufhaben, auch mit nachhaltigen Technologien. Wir fahren, um zu beweisen, dass unsere Technologien tatsächlich funktionieren. Und das stößt wiederum auf mediales Interesse. Vielleicht wird ein Ewiggestriger hellhörig und sagt: „Hm, vielleicht ist das gar nicht so schlecht was die da machen!“.
Gibt es noch andere Defizite im Rennsport, die Sie gerne in Angriff nehmen würden?
Mit unserem Reifenhersteller Michelin arbeiten wir zum Beispiel daran dem Gummiabrieb an den Reifen und generell der Ressourcenvernichtung beim Thema Reifen entgegenzuwirken. Unser Ziel ist es, mit Michelin einen Reifen an unseren Autos zu haben der mindestens vier Stunden hält und später vielleicht mal sechs bis acht Stunden. Bisher kann es durchaus sein, dass in vier Stunden auf der Rennstrecke drei Reifensätze verfahren werden. Das ist Normalität im Rennsport und eine enorme Ressourcenvernichtung. Aber die Reifenhersteller, ganz vorne unser Hersteller Michelin, arbeiten daran, Rennreifen zu recyceln. Die gebrauchten Reifen werden dann wieder zu neuen Reifen verarbeitet. Das schont die Ressourcen massiv. Recycling ist meiner Meinung nach sehr wichtig und sollte weiter ausgebaut werden in der Zukunft. Und es geht noch weiter. So arbeiten wir zum Beispiel seit diesem Jahr mit RONAL zusammen. Der Felgenhersteller hat die weltweit erste komplett CO2-neutrale Felge aus recyceltem Aluminium hergestellt, die wir mit testen. Mit Pagid Racing arbeiten wir außerdem an der Entwicklung von weniger umweltbelastenden Abriebmaterialien im Bremsbereich.
Inwieweit sind diese ganzen Technologien interessant für durchschnittliche Bürger*innen?
Da sind wir gerade dran! Wir überlegen uns, wo der Einsatz von biobasierten Kunststoffen und Biofaserverbundswerkstoffen möglich ist. Da gibt es meiner Meinung nach in der Automobilbranche gute Ansätze, aber es gilt auch etwas zu berücksichtigen: Im Moment sind Kunststoffe aus fossilen Stoffen billiger als solche aus biologischen Bestandteilen. Allerdings sind letztere wiederum günstiger als Carbon, das heute im Leichtbau dominiert, und somit eine echte Alternative. Wir müssen uns alle bemühen, diesen Planeten zu retten und den Treibhauseffekt nach unten zu drücken. Dafür müssen aber auch entsprechende Technologien gefördert werden und schädliche Technologien sollten zumindest finanziell mehr belastet werden.
Quelle: Four Motors/ElfImages Motorsport
Thomas von Löwis of Menar ist der Teamchef des Racingteams „Four Motors“. Nach seinem Start in der Rennsportszene als Fahrer in der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (1987-1992) und einigen anderen Rennen gründet er im Jahre 2000 die Four Motors GmbH. Schon das erste Four Motors Fahrzeug, der Fantastische Beetle, fuhr mit Biodiesel. Das Ziel des Teamchefs: Nachhaltigkeit in den Motorsport zu bringen und Autos für dieses Ziel zu optimieren.
Jobs für die Zukunft
Es wird in Zukunft eine Menge neue Betätigungsfelder auf dem Gebiet nachwachsender Rohstoffe geben. Falls auch du dich für diese und generell eine Wirtschaft mit mehr Nachhaltigkeit interessiert, hätten wir da was für dich:
Automobil- und Mobilitätswirtschaftler*in
… als Automobil- und Mobilitätswirtschaftler*in verfügst du über wirtschaftswissenschaftliche Kenntnisse und Lösungsansätze für Aufgaben und Probleme in der Automobil- und Mobilitätswirtschaft. Unter anderem setzt du dich auch mit Innovationen und neuen Lösungen in dieser Branche auseinander.
Kraftfahrzeugmechatroniker*in
… als Kraftfahrzeugmechatroniker*in ist es deine Aufgabe Personenfahrzeuge zu warten. Hierbei prüfst du fahrzeugtechnische Systeme, führst Reparaturen aus und rüstest die Fahrzeuge mit Zusatzeinrichtungen, Sonderausstattungen und Zubehörteilen aus.