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Die Rettung wächst nach

Antonia Tebbe, 23 Jahre

Jute statt Glaswolle, Strom aus der Biogasanlage und Kaffeetassen aus geschreddertem Mais? Nachwachsende Rohstoffe sind eine der wichtigsten Werkzeuge im Kampf gegen den Klimawandel und die Ausbeutung der Ressourcen unseres Planten. Ist es damit möglich, eine nachhaltige Zukunft anzubauen?

Jedes Jahr berechnet die Organisation Global Food Print Network den Earth Overshoot Day. Bis zu diesem Termin wird die Menschheit weltweit die Menge an Ressourcen aufgebraucht haben, welche die Natur innerhalb eines Jahres wiederherstellen kann – und regelmäßig liegt dieser Tag lange vor Jahresende. Gegenwärtig verbraucht die Menschheit 74 Prozent mehr, als die Ökosysteme des Planeten regenerieren können. Neben dem Ressourcenverbrauch fließt auch der weltweite Ausstoß des klimaschädlichen Gases Kohlenstoffdioxid (CO2), den die Natur innerhalb eines Jahres kompensieren kann, in die Berechnung mit ein.

In den letzten Jahren rutschte der Earth Overshoot Day immer weiter nach vorne, 2021 auf den 29. Juli. Würde die ganze Weltbevölkerung konsumieren wie die Einwohner*innen Deutschlands, wären sogar schon am 5.Mai.2021 alle zur Verfügung stehenden Ressourcen für das Jahr aufgebraucht gewesen! Die stetig wachsende Weltbevölkerung bräuchte derzeit 1,74, bei deutschen Konsummaßstäben sogar 2,9 Erden, um ihren Bedarf an Ressourcen ohne Ausbeutung der Natur zu decken.

2,9 Erden

Was also tun? Ganz einfach, oder? Der enorme menschliche Ressourcenverbrauch muss eben drastisch sinken. Den Verbrauch stark zu reduzieren ist, gerade im Angesicht von Bevölkerungswachstum, zunehmendem Wohlstand und somit gesteigertem Konsum auch in ärmeren Ländern, ohne den Willen zum Verzicht jedes Einzelnen, leider eine Utopie. Gerade deswegen wäre es zumindest Teil einer Lösung, die überall verwendeten endlichen Ressourcen Schritt für Schritt durch nachwachsende Rohstoffe zu ersetzten. Sie bieten eine realistische Möglichkeit, dem CO2-Ausstoß und dem übermäßigen Verbrauch von fossilen Rohstoffen etwas entgegen zu setzten. Eine solche umfassende Umorganisation der Wirtschaft mittels nicht-endlicher Rohstoffe, hätte gewaltigen Einfluss auf vielen Ebenen und birgt die Kraft, dringend benötigte Veränderung im globalen Stil herbeizuführen.

Wie hängen nachwachsende Rohstoffe und wirtschaftliche Chancen zusammen?

Unter nachwachsenden Rohstoffen versteht man Produkte, die in der Land- oder Forstwirtschaft erzeugt werden und im Gegensatz zu fossilen Brennstoffen wie Erdöl oder -gas, bei entsprechender Nutzung, nicht erschöpfbar sind. Sie können also, in der Theorie, immer wieder neu angebaut, geerntet und verwendet werden, solange der Verbrauch nicht die Geschwindigkeit ihrer Regeneration übersteigt. Auch metallische und mineralische Rohstoffe, wie Eisen oder die Grundbestandteile von Beton, sollten möglichst durch nachwachsende Rohstoffe ersetzt werden. Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen haben oft noch einen weiteren Vorteil: Anders als zum Beispiel „normales“ Plastik verrotten sie und liegen oder schwimmen also nicht jahrzehnte- oder gar jahrhundertelang in der Natur oder im Meer herum. Welche Produkte biobasiert sind, aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden und welches Umweltgütezeichen sie haben, erfährst du auf dieser Seite.

Was zählt zu den nachwachsenden Rohstoffen?

Mit nachwachsenden Rohstoffen sind Substanzen gemeint, die als Energiequelle für die Erzeugung von Wärme, Strom und Kraftstoffen eingesetzt werden oder stofflich, zum Beispiel für die Herstellung von Möbeln, Arzneimitteln und Kleidung, genutzt werden. Gerade für die stoffliche Nutzung bieten sich riesige Einsatzgebiete, neben Chemie- oder Möbelbranche beispielsweise im Bereich der Verpackungs-, Auto- oder Bauindustrie. Wie genau das Bauen mit nachwachsenden Rohstoffen funktioniert, erfährst du in dieser Videoreihe, am Beispiel von klimafreundlichen Dämmmaterialien. Doch auch Schuhe, Kosmetik, Klopapier und sogar Seife können aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden.

Quelle: Pexels/Clem OnojeghuoBekannte Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen für die energetische Nutzung sind Biodiesel und Biogas. Energiepflanzen, die in Deutschland zu deren Erzeugung angebaut werden sind zum Beispiel Raps, Mais, Rüben und Getreide. Ganz klassisch zählt natürlich auch Holz, wie es der Mensch seit Jahrtausenden zum Heizen und Kochen verwendet, zu den Energiepflanzen. Nahrungs- und Futtermittel zählen übrigens nicht zur Gruppe der nachwachsenden Rohstoffe. Manche Pflanzen sind allerdings für mehrere Zwecke nutzbar. Mais zum Beispiel lässt sich gleich vierfach einsetzen: Man kann ihn essen, man kann ihn verfüttern, man kann Biogas oder -treibstoff draus machen und es lassen sich sogar Dinge daraus herstellen.

Was haben nachwachsende Rohstoffe mit dem Klimawandel zu tun?

Quelle: Pexels/Livier GarciaAuch nachwachsende Rohstoffe sind nicht unbedingt klimaneutral. Denn bei ihrem Anbau, bei der Verarbeitung und beim Transport wird bislang oft CO2 freigesetzt, das aus fossilen Quellen stammt. Hinzu kommt, dass sich der Intensivanbau von Pflanzen wie Mais oder Raps, der oftmals unter Einsatz von Pestiziden und in Monokulturen erfolgt, negativ auf Umwelt und Klima auswirkt. Und nicht selten transportieren die fossil-betriebenen Landmaschinen Biomasse über weite Strecken zur passenden Biogasanlage – ebenfalls nicht ideal.

Dennoch tragen nachwachsende Rohstoffe, auch bei ihrer Nutzung in Form von Bioenergie, zur Senkung des Ausstoßes klimaschädlicher Gase bei. Denn nachwachsende Rohstoffe entlassen bei ihrer Verbrennung nur so viel CO2 in die Erdatmosphäre, wie sie vorher während ihres Wachstums aufgenommen haben. Ganz anders ist das bei fossilen Brennstoffen. Das Kohlendioxid, das bei ihrer Verbrennung entsteht, war in abgewandelter Form vormals tief unter der Erde begraben und wäre ohne menschliches Zutun nicht in die Atmosphäre gelangt, Stofflich genutzt, können Holz, Pflanzenfasern und Co. Kohlendioxid sogar über viele Jahrzehnte hinweg binden. Zum Beispiel in Form eines Holzhauses: Das CO2, dass die Bäume während ihres Lebens aufgenommen und in Form von Kohlenstoff gespeichert haben, bleibt im Holz des Hauses erhalten, solange das nicht abbrennt oder verrottet.

86% der erneuerbaren Wärme

Es ist also folgerichtig, dass nachwachsende Rohstoffe einen immer größeren Anteil unseres Energieverbrauchs decken. 86 Prozent der erneuerbaren Wärme (also der Wärmeenergie, die nicht aus fossilen Brennstoffen entsteht) stammen aus nachwachsenden Rohstoffen. Der Anteil, den Bioenergie an der gesamten erneuerbaren Stromversorgung hat, liegt immerhin bei 20 Prozent. Zur Einordnung: Rund 45 Prozent des gesamten deutschen Stroms stammten 2020 aus erneuerbarer Energie, bei der Wärme sind es rund 15 Prozent. Nachhaltig verwendet, bringen nachwachsende Rohstoffe auch sonst eine Reihe von Vorteilen mit sich. Wird beispielsweise Wert auf lokalen Anbau und Nutzung gelegt, können klimaschädliche Transportwege verkürzt werden und das jeweilige Land kann seine Versorgung etwas unabhängigerer Ländern sichern. Reiche Länder wie Deutschland können so ihren CO2-Ausstoß verringern und Arbeitsplätze in ländlichen Gebieten schaffen oder erhalten. Arme Länder können ihren Energiebedarf unabhängig von Erdöl oder Erdgas, das sie teuer importieren müssten, decken und noch etwas hinzuverdienen, indem sie nachwachsende Rohstoffe exportieren.

Also alles super – oder doch nicht?

Wo viel Licht ist, ist auch Schatten: Auch die steigende Nachfrage nach nachwachsenden Rohstoffen bleibt nicht ohne Probleme. Einer davon ist die Konkurrenz des Anbaus von Nahrungsmitteln mit nachwachsenden Rohstoffen, die besonders die Menschen in ärmeren Ländern betrifft. Zum Beispiel können die Preise für Mais, der in manchen Ländern ein Grundnahrungsmittel ist, steigen, weil die Nachfrage wächst – denn Mais ist eben auch ein prima nachwachsender Rohstoff, siehe weiter oben. Die Folge: Die Menschen müssen nun viel mehr für Nahrungsmittel bezahlen, was die ärmeren von ihnen oft nicht können. Ein weiteres Problem entsteht natürlich auch durch die steigende Nachfrage nach nachwachsenden Rohstoffen: Anbauflächen werden vergrößert, auf Kosten von natürlichen Ökosystemen. Da wo früher Regenwald war, wachsen heute Zuckerroher und Ölpalmen, statt intakter Wälder gibt es nun artenarme Plantagen.

Um die Vorteile nachwachsender Rohstoffe zu nutzen, muss also – auch in Deutschland und anderen Industrienationen – auf eine ausgeglichene Anbauwirtschaft geachtet werden. Beispielsweise sollten Monokulturen vermieden werden. Ganzheitliche Konzepte können Naturschutz und Nachhaltigkeit mit ertragreicher Landwirtschaft verbinden. Nachhaltigen Anbau und eine ebensolche Nutzungsweise vorausgesetzt, sind nachwachsende Rohstoffe ein wertvoller Baustein in der Bekämpfung des Klimawandels und bieten Chancen in der Bekämpfung einer Reihe gesellschaftlicher Probleme. Lokale Wertschöpfung kann entstehen und fossile Ressourcen können geschont werden.

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