#forschung

Von Hausmüll zu Handyhülle

Doria Nollez, 25 Jahre

Fast jede Person hat ein Handy, und damit auch eine Handyhülle. Die meisten Hüllen bestehen jedoch aus Plastik. Gehen die kaputt und landen im Müll, ist das nicht sehr nachhaltig. In Darmstadt gibt es allerdings ein Start-up, das Handyhüllen aus Essensresten herstellt. Ich bin mit meiner Kamera dort hingefahren, um herauszufinden wie das Ganze eigentlich funktioniert und habe auch viele Tipps bekommen, wie man ein nachhaltiges Start-up gründet. Klicke auf dem Video um mehr zu erfahren!

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Quelle: Pixabay/Adina Voicu
#forschung

Insekten – Lokaler Rohstoff der Zukunft?

Lena Müller, 31 Jahre

Ohne Insekten würde unser gesamtes Ökosystem nicht funktionieren – etwa 88 Prozent der Bestäubungsarbeit wird durch Insekten verrichtet. Dass diese bald auch als nachwachsender Rohstoff genutzt werden können, daran wird zurzeit geforscht.

Ein unscheinbares Gewächshaus in Baruth in Brandenburg. Wer darin die Anzucht von Pflanzen erwarten würde, läge falsch: Es handelt sich hierbei um ein hochmodernes Biotech-Unternehmen, die Hermetia Baruth GmbH. In diesem Gewächshaus wird daran gefeilt, eine wirtschaftliche Fliegenzucht aufzubauen. Das Hauptinteresse gilt dabei jedoch gar nicht den ausgewachsenen Fliegen. Diese sind nur für die Fortpflanzung und damit für die Produktion von Nachwuchs interessant. Stattdessen werden vor allem die Larven der späteren Insekten betrachtet, denn aus deren Biomasse lassen sich Insektenproteine und -fette gewinnen.

Seit 2017 fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das Projekt „Competitive Insect Products“. Das Deutsche Biomasseforschungszentrum (DBFZ) in Leipzig, 130 Kilometer südwestlich des Fliegen-Gewächshauses, kooperiert für diese Forschung mit der Hermetia Baruth GmbH. Der Grund: Da sich Insekten enorm schnell vermehren, werden sie als nachwachsender Rohstoff der Zukunft gehandelt. Momentan gibt es jedoch noch einen entscheidenden Haken: Die Produktion der Insekten ist bislang nicht wirtschaftlich und somit auf dem Markt nicht wettbewerbsfähig. Harald Wedwitschka, wissenschaftlicher Mitarbeiter am DBFZ und sein Team forschen deswegen daran, welche Teile der Insektenzucht ökonomischer gemacht werden können.

Aber noch mal zum Anfang: Warum Insekten? Insekten haben einen hohen Fett- und Proteingehalt. Harald Wedwitschka betont, dass das Fett der Insekten zukünftig weniger nachhaltige Rohöle wie Palmöl, Rizinus- und Kokosöl ersetzen könnte. Im Gegensatz zu den genannten Ölen kann Insektenfett lokal erzeugt werden und hat somit keine langen Transportwege hinter sich, wenn es zum Einsatz kommt. Wedwitschka berichtet, dass es außerdem oft zu Lieferengpässen bei den importierten Ölen komme. Auch dieses Problem könnte durch Insektenfett vermindert werden.

Ersatz für Fisch und Soja

Das Protein von Insekten kann außerdem zu Tierfutter hinzugesetzt werden. So lässt sich der Anteil des bisher verwendeten Sojas und Fischmehls verringern. Beides ist aus ökologischer Sicht sehr bedenklich. Rund 80 Prozent des weltweit angebauten Sojas wird für Tierfutter verwendet und um der steigenden Nachfrage an Tierfutter gerecht zu werden, steigt auch der Anbau von Soja. Dafür werden Regenwaldflächen gerodet und Monokulturen angelegt. Fischmehl wird aus Fisch hergestellt. Durch die großen Mengen Fisch, die so mittlerweile nicht nur von Menschen, sondern auch von Nutztieren konsumiert werden, sind über 30 Prozent der kommerziell genutzten Bestände überfischt. Bei weiteren 60 Prozent liegt die Nutzung am Limit.

Insekten können hier eine Lösung sein, denn sie stellen eine nachwachsende und lokale Ressource dar. Dipl.-Ing. Heinrich Katz, Mitbegründer und kaufmännischer Leiter der Hermetia Baruth GmbH, betont, dass es die Hauptaufgabe der Insekten in der Natur sei, aus Reststoffen körpereigene Fette und Proteine herzustellen – um dann als Nahrung für höhere Tiere zur Verfügung zu stehen. Sie könnten so auch einen entscheidenden Faktor in lokalen Kreislaufwirtschaften stellen.

Produktion der Biomasse aus Insekten

In Baruth wird vor allem an einer aus Lateinamerika stammenden Fliege geforscht. Die Schwarze Soldatenfliege braucht im Gegensatz zu der bei uns heimischen Stubenfliege als ausgewachsenes Tier kein Futter. Während ihres zwölftägigen Lebenszyklus als erwachsene Fliege kümmert sie sich nur um die Fortpflanzung. Alle Energie, die sie dafür braucht, nimmt sie bereits als Larve zu sich. Für die Produktion und Nutzung der Larven, leben die Tiere der Schwarzen Soldatenfliege im Gewächshaus in Baruth in Gefangenschaft und pflanzen sich stetig fort. Ein Teil der Eier entwickelt sich zu Larven und weiter zu ausgewachsenen Fliegen. Diese Fliegen pflanzen sich wieder fort, um weitere Eier zu legen, aus denen sich erneut Larven entwickeln. Der für die Vermehrung nicht benötigte Teil Larven wird für die Biomasseherstellung genutzt. Diese Larven dürfen sich ordentlich dick fressen. Bevor sie sich zu Fliegen entwickeln, werden sie getötet, bei 90° C getrocknet und grob gesagt in Insektenmehl, Insektenfett und einen Restteil verarbeitet.

Die Forschenden im Biomasseforschungszentrum in Leipzig nehmen Punkte unter die Lupe, die noch Probleme bereiten: Wie kann der „Rohstoff“ Insekt wirtschaftlich werden und wie können wir den Teil, der nicht Mehl oder Fett wird, weiternutzen? Harald Wedwitschka und sein Team nehmen dafür viele verschiedene Stellschrauben unter die Lupe. „Nachhaltige und kostengünstige Rohstoffe und Herstellungsverfahren, Nutzung erneuerbarer Energien in der Produktion und die Arbeit an einer Freigabe von Rest- und Abfallstoffen als Futterstoff, sind nur einige der vielen Möglichkeiten, die an der Produktionskette optimiert werden können“, berichtet Wedwitschka. Um es greifbarer zu machen: Die Schwarze Soldatenfliege gilt gesetzlich als Nutztier. Und das Futter, welches Nutztiere fressen, muss entsprechend zugelassen und zertifiziert sein. Zertifizierungen aber sind in der Regel eine teure Angelegenheit.

Deswegen beforscht Harald Wedwitschka in Leipzig Nährmittel, die nicht in Konkurrenz zu Futtermitteln stehen und möglichst günstig und regional zu bekommen sind. Das sind Stoffe wie Maissilage, Biertreber oder Hühnerkot. „Wir untersuchen gemeinsam mit der Hermetia Baruth GmbH verschiedenste Einsatzstoffe auf ihre Eignung und testen Koppelprodukte und Reststoffe der Insektenzucht“, so Wedwitschka, „zum Beispiel als Biogassubstrat oder Rohstoffe für technische Anwendungen.“ Die genannten Reststoffe, die weder Mehl noch Fett sind, enthalten noch sehr viel Energie. So viel Energie, dass sie – soweit das Gesetz es zulässt – als Substrat für die Herstellung von Biogas genutzt werden können. So entsteht das Potential für eine Kreislaufwirtschaft, denn die Wärme, die Biogasanlagen produzieren, kann wiederum für die Aufzucht der Larven genutzt werden – diese fühlen sich nämlich bei einer bestimmten Temperatur am wohlsten.

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Video: Fliegende Proteinquellen – Auf der Insektenfarm (Hermetia Baruth GmbH)

Insekten essen oder „ausbeuten“ – vertretbar oder nicht?

Momentan rückt die Ausbeutung von Nutztieren durch den Menschen immer mehr in den Fokus der Gesellschaft. Es stellt sich somit die Frage, ob nun die Forschung an Insekten als neue Ressource überhaupt zukunftsfähig ist. Die Anzahl an veganen, also tierfreien Produkten ist in den letzten Jahren zusehends gestiegen. Nicht nur bei Lebensmitteln, auch im Non-Food-Bereich. Die Argumente von Katz und Wedwitschka sind jedoch einleuchtend: Insekten können Ressourcen, die von weit weg importiert werden müssen, ersetzen. Sie können problematischen Monokulturen dadurch vorbeugen, dass es weniger Palmöl- oder Sojaplantagen braucht. Und ist die Forschung erfolgreich, können, die Fliegen nicht nur regional, sondern auch nachhaltig (Stichwort Kreislaufwirtschaft) aufgezogen werden. Wedwitschka wendet jedoch ein, dass der nachhaltigste Weg wäre, die Insekten zu essen, anstatt sie über Tierfutter oder Schmierstoffe auf den Markt zu bringen. Die Akzeptanz für insektenbasierte Lebensmittel ist jedoch im globalen Norden bisher vergleichsweise gering.

Heinrich Katz argumentiert außerdem, dass sowohl durch Auto- wie auch durch Bahnverkehr viele Insekten sterben müssten – deren Tod wir auch billigend in Kauf nehmen. Und es geht noch weiter mit der „Ausbeutung“ von Insekten, wie Katz erläutert: „Wir setzen Nützlinge ein, die Schädlinge auffressen oder parasitieren, damit wir Gemüse und Früchte ernten können.“ Hierbei fressen Insekten wiederum Insekten – gesteuert durch den Menschen. Dank dieser Nutzungsweise von Insekten kann in der Landwirtschaft der Einsatz von chemischen Pestiziden verringert werden. Man sieht: Insekten sind auch unabhängig von der Rohstoffnutzung bereits eine ökonomische Ressource.

Klar ist: Wir benötigen nachwachsende Rohstoffe, um zukünftig die Ausbeutung unseres Planeten zu vermindern. Klar ist auch: Bei diesen nachwachsenden Rohstoffen handelt es sich um Lebewesen – was unvermeidlich kontroverse Meinungen mit sich bringen wird. Vielversprechend klingt das Forschungsvorhaben allemal. Und vermutlich notwendig.

Quelle: DBFZ

Harald Wedwitschka ist studierter Biotechnologe und Umweltwissenschaftler und arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Biomasseforschungszentrum GmbH. Sein Forschungsgebiet beinhaltet die Untersuchung biotechnischer Ansätze zur kombinierten stofflichen und energetischen Nutzung von Biomasse.

Quelle: Privat

Dipl.-Ing. Heinrich Katz ist der kaufmännische Leiter der Hermetia Baruth GmbH und verantwortlich für die Organisation und die externe Kommunikation. Hermetia war im Jahr 2006 die erste Einrichtung, der der Aufbau einer signifikanten und stabilen Zucht der Schwarzen Soldatenfliege (Hermetia illucens) in Europa gelang. Die Firma hat für die Massenproduktion der Larven einen Bioreaktor entwickelt, der weltweit vertrieben wird. Die Aufbereitung der Larvenmasse zu proteinreichem Mehl und Öl wurde ebenfalls von der Hermetia entwickelt.

Jobs für die Zukunft

Es wird in Zukunft eine Menge neue Betätigungsfelder auf dem Gebiet nachwachsender Rohstoffe geben. Falls auch du dich für diese und generell eine Wirtschaft mit mehr Nachhaltigkeit interessiert, hätten wir da was für dich:

Quelle: Pexels/ThisIsEngineering

Ingenieurswissenschaftler*in

… als Ingenieurwissenschaftler*in beschäftigst du dich mit der Forschung, Entwicklung sowie Produktion und dem Betrieb von technischen Anwendungen.

Quelle: Pexels/Kateryna Babaieva

Maschinenbauingenieur*in bzw. Bauingenieur*in

… es gibt auch die Möglichkeit einer bestimmten Spezialisierung, zum Beispiel zur/zum Maschinenbauingenieur*in oder Bauingenieur*in. In all diesen Bereichen werden nachwachsende Rohstoffe in Zukunft eine immer größere Rolle spielen.

Quelle: Pexels/Chokniti Khongchum

Biotechnolog*in

… als Biotechnolog*in verfügst du über Wissen von biologischen Grundlagen mit der Anwendung in der Industrie, Medizin und Landwirtschaft. Ein zentrales Aufgabengebiet kann die Weiterentwicklung von nachwachsenden Rohstoffen sein.

Quelle: Pexels/Sora Shimazaki

Sekretär*in

… als Sekretär*in erledigst du Büro- und Assistenzaufgaben und sorgst so für die Entlastung aller Mitarbeitenden.

Quelle: Pexels/Karolina Grabowska

Buchhalter*in

… als Buchhalter*in beschäftigst du dich mit den Einnahmen und Ausgaben eines Unternehmens. Du erstellst Rechnungen, prüfst Zahlungseingänge und Eingangsrechnungen, überwachst Konten, steuerst finanzwirtschaftliche Vorgänge und gewährleistest die reibungslose Organisation des Finanz- und Rechnungswesens eines Unternehmens.

Quelle: Pexels/RODNAE Productions

Hausmeister*in

… als Hausmeister*in stellst du sicher, dass Gebäude, Grundstücke und eventuell Anlagen gewartet, gepflegt und instandgehalten werden.

Quelle: Four Motors/ElfImages Motorsport
#forschung

Das nachhaltige Rennauto – Vorbild für die Mobilität der Zukunft?

Sarah Meyer, 25 Jahre

Das Racing-Team „Four Motors“ arbeitet daran, Autorennen insgesamt nachhaltiger und umweltfreundlicher zu machen und setzt dabei auf Recycling-Öl, E20-Kraftstoff und Bio-Leichtbauteile. Was bringt uns das für die Mobilität der Zukunft? Sarah hat mit dem Racingteam-Chef Thomas von Löwis of Menar gesprochen, um es rauszufinden.

Was ist das Bioconcept-Car?

Das Bioconcept-Car ist eine nachhaltige Plattform für nachhaltige Technologien, die im Rennsport zur Anwendung kommt, aber auch Bezug zum alltäglichen Straßenverkehr hat. Im Jahr 2000 haben wir angefangen mit Smudo Rennen zu fahren, den die Öffentlichkeit vor allem durch die Hip-Hop-Gruppe „Die Fantastischen Vier“ kennt. 2003 hat Four Motors zusammen mit ihm den fantastischen Bio-Beetle auf die Rennstrecke gebracht. Der Beetle fuhr mit Biodiesel, war das erste alternative Rennauto und hat auch gegen die Konkurrenz, die mit Mineralöldiesel fuhr, gewonnen. Bei dem Einsatz von Biodiesel blieb es aber nicht, wir wollten mehr. Später kam uns dann die Idee für den Einsatz von Biofasern für unsere Rennautos. Normalerweise werden in Rennfahrzeugen Leichtbauteile aus Kohlefasern verwendet, für unser Bioconcept-Car wollten wir aber Biofasern einsetzen. Diese Biofaserteile sparen gegenüber den Kohlefaserteilen bis zu 80 Prozent CO2 ein.

Quelle: Four Motors/ElfImages Motorsport

Thomas von Löwis auf der Rennstrecke neben einem der Bioconcept-Cars.

Wie ging es dann weiter?

2006 kam also unser erstes Bioconcept-Car, der Ford Mustang GT RTD, angetrieben mit Biodiesel und mit einer Karosserie aus nachwachsenden Rohstoffen. Seither arbeiten wir auch mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft zusammen, dass die Biofaserentwicklung im Rahmen eines Förderprojekts über die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe subventioniert. Im Laufe der Zeit entwickelten wir dann noch weitere nachhaltige Rennautos und verbesserten sie fortlaufend für mehr Nachhaltigkeit, ohne Performanceverlust. Seit 2011 haben wir das Fraunhofer WKI an Bord und mittlerweile kooperieren wir auch seit vier Jahren mit Porsche. Das Bioconcept-Car hat in den Augen von Porsche, in der Politik und in der Wahrnehmung der Endverbraucher einen hohen Stellenwert erreicht. Denn wir zeigen Technologien auf, mit denen es möglich ist, weniger CO2 auszustoßen, trotzdem mobil zu bleiben – und vor allem: die sich, anders als die Elektromobilität, schon morgen flächendeckend einsetzen ließen. Die Idee war von Anfang an, mit unserem Bioconcept-Car die Thematik der Nachhaltigkeit an die Öffentlichkeit zu tragen. Das hat lange gedauert, aber gute Dinge brauchen manchmal länger.

Quelle: Four Motors/ElfImages Motorsport

Der Porsche 718 Cayman GT4 im Einsatz.

 

Sehen Sie sich damit als Vorbild in der Rennsportszene? Folgen andere Teams ihren Ideen?

Es gibt natürliche eine hohe Zahl an Ewiggestrigen, diese Leute glauben nicht an den Klimawandel, der auch bei uns in Deutschland an die Tür klopft. Diese Menschen kann man nur überzeugen, indem wir ihnen zeigen, dass unsere Biofaserteile so gut sind, dass sie konkurrenzfähig sind gegenüber den Kohlefasern. Das ist ein langwieriger Prozess. Aber es gibt in der Zwischenzeit auch Teams, die bei uns anfragen und unsere Materialien nutzen möchten. Außerdem gibt es Unternehmen, die sich mit uns zusammensetzen wollen, um ihr Portfolio an nachhaltigen Produkten zu erweitern und zu verbessern. Die Umsetzung ist nicht immer einfach und die Unternehmen legen Wert auf Kostenminimierung. Aber wir können mit einem guten Beispiel vorangehen und versuchen auch andere zu inspirieren, ihre Produkte und Abläufe nachhaltiger zu gestalten – nicht ohne Erfolg. Das Interesse an nachhaltiger Mobilität und die Offenheit für CO2-sparende Alternativen wächst zunehmend, das ist eine Entwicklung, die uns sehr freut. Wir agieren in der Automobilindustrie, diese wird prinzipiell nicht als besonders nachhaltig wahrgenommen. Umso wichtiger ist es für uns, hier Anregungen und Anstöße zu geben, damit die anderen uns auch folgen können.

 

Aus welchen Rohstoffen bestehen Ihre Bioleichtbauteile und woher werden sie bezogen?

Die Rohstoffe für unsere Bioleichtbauteile waren Raps, Hanf und Baumwolle. Die aktuellen Leichtbauteile sind aus Flachsfasern – also Leinen – gefertigt. Für unsere Fasertechnologie arbeiten wir zusammen mit unserem Partner Bcomp aus der Schweiz. Bcomp ist keine große Weberei, sondern ein Entwickler für Materialgewebe. Die Ingenieur*innen bei Bcomp entwickeln Gewebe, die genauso gut wie Glasfasern sind oder fast genauso gut wie Kohlefasergewebe – in manchen Bereichen sogar besser. Neben der geringeren CO2-Emission ist ein entscheidender Vorteil der Biofasern, dass bei ihrer Bearbeitung kein Feinstaub entsteht, wie es bei Kohlefasern der Fall ist. Dieser Feinstaub ist höchstgefährlich für die Atemwege und kann Arbeiter*innen gefährden. Denn Nachhaltigkeit bedeutet nicht nur Umweltbewusstsein, sondern auch soziale Verantwortung.

Quelle: Four Motors/ElfImages Motorsport

Nahaufnahme der Bioleichtbauteile

Quelle: Four Motors/ElfImages Motorsport

Nahaufnahme der Bioleichtbauteile

Hergestellt werden die Materialien dann von verschiedenen Webereien. Es ist dabei so, dass die Qualität der verarbeiteten Fasern je nach Wachstumsbedingungen schwanken kann. Das ist ein großes Problem für die produzierten Gewebe. Wenn man sie flächendeckend anbieten möchte, muss die Qualität kontinuierlich einen gewissen Standard haben. Kohlefasern und Glasfasern haben dieses Problem nicht, ihre Beschaffenheit bleibt immer dieselbe. Das stellt also eine gewisse Herausforderung für uns dar. Bcomp beschäftigt sich mit großem Erfolg mit der Entwicklung und Verbesserung der Gewebe, um ein gleichbleibendes Qualitätsniveau zu gewährleisten.

Quelle: Four Motors/ElfImages Motorsport

Nahaufnahme der Bioleichtbauteile

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Heck des Autos aus Bioleichtbauteilen

 

Was hat es mit Ihren Recyclingölen auf sich? Wie funktioniert das Ganze?

Aus Erdöl werden ganz verschiedene Dinge hergestellt. Auf der einen Seite werden Schmieröle und Kraftstoffe und auf der anderen Chemieprodukte erzeugt. Jeder Verpackungsstoff, der uns im Alltag begegnet, ist üblicherweise aus Erdöl. Mittlerweile gibt es hierfür aber auch alternativen wie Bioplastik. Wenn es aber um Schmieröle geht, dann läuft das Recycling so ab: Das „verbrauchte“ Motoröl, also das Altöl, wird nach dem Ölwechsel gesammelt und in eine Raffinerie gebracht. Dort wird das Öl reraffiniert, also gereinigt. Heraus kommt ein gereinigtes Grundöl. Hier kommt unser Partner Wolf Oil ins Spiel. Wolf Oil verwendet das recycelte Öl als Basisöl wieder und veredelt es noch mit sogenannten Additiven, sodass ein Hochleistungsöl – in unserem Fall für Motor- oder Getriebe – entsteht. Im Grunde kann Öl diesen Kreislauf also immer wieder, mit wenigen Verlusten (ca. 20 Prozent), durchlaufen. Die Art und Weise des Reraffinierens wird auch immer besser. Qualitativ haben die Recycling-Öle keinen Nachteil gegenüber einem sogenanntem „virgin oil“, welches mit Erdöl direkt aus dem Bohrloch hergestellt wird. Aber auch hier gibt es die Ewiggestrigen, die kein Recycling-Öl verwenden möchten, sondern nur auf „virgin oil“ setzen. Wir hoffen, dass sich das in Zukunft, auch durch unsere Anstrengungen, verbessert.

 

Wie wird Ihr E20 Kraftstoff hergestellt und sehen Sie ihn auch als Alternative außerhalb des Rennsports?

E20-Kraftstoff bedeutet, dass der Kraftstoff, mit welchem wir fahren, zu 20 Prozent aus Bioethanol besteht. Dieses Bioethanol wird aus Bio-Reststoffen, also unter anderem Abfallprodukten aus der Futtermittelerzeugung, hergestellt. Das läuft über unseren Partner CropEnergies. Bioethanol ist ein äußerst leistungsfähiger Kraftstoff und er spart. Besonders wichtig ist aber auch, dass E20 gegenüber Super Plus bis zu 60 Prozent Ruß einspart, denn der ausgesetzte Feinstaub ist sehr bedenklich für unsere Gesundheit der Lungen. Ich kann nur Denkanstöße geben und zeigen, dass es bei uns funktioniert. Einige sagen zu uns, wir seien Heuchler, wir wollen doch nur unsere Rennen fahren und streichen uns dann grün an. Diesen Leuten muss ich natürlich begegnen und sagen: „Wenn ich die Ewiggestrigen überzeugen möchte, dann am besten auf der Rennstrecke. Motorsport ist seit jeher ein Labor für die Straße. Und als Teststrecke entspricht 1 km Nordschleife ca. 20 km auf der Straße. Nicht umsonst heißt es: ‚Jeder lobt, was der Nürburgring erprobt‘“. Hier testen wir die Technologien auf Herz und Nieren und zeigen, was wir draufhaben, auch mit nachhaltigen Technologien. Wir fahren, um zu beweisen, dass unsere Technologien tatsächlich funktionieren. Und das stößt wiederum auf mediales Interesse. Vielleicht wird ein Ewiggestriger hellhörig und sagt: „Hm, vielleicht ist das gar nicht so schlecht was die da machen!“.

 

Gibt es noch andere Defizite im Rennsport, die Sie gerne in Angriff nehmen würden?

Mit unserem Reifenhersteller Michelin arbeiten wir zum Beispiel daran dem Gummiabrieb an den Reifen und generell der Ressourcenvernichtung beim Thema Reifen entgegenzuwirken. Unser Ziel ist es, mit Michelin einen Reifen an unseren Autos zu haben der mindestens vier Stunden hält und später vielleicht mal sechs bis acht Stunden. Bisher kann es durchaus sein, dass in vier Stunden auf der Rennstrecke drei Reifensätze verfahren werden. Das ist Normalität im Rennsport und eine enorme Ressourcenvernichtung. Aber die Reifenhersteller, ganz vorne unser Hersteller Michelin, arbeiten daran, Rennreifen zu recyceln. Die gebrauchten Reifen werden dann wieder zu neuen Reifen verarbeitet. Das schont die Ressourcen massiv. Recycling ist meiner Meinung nach sehr wichtig und sollte weiter ausgebaut werden in der Zukunft. Und es geht noch weiter. So arbeiten wir zum Beispiel seit diesem Jahr mit RONAL zusammen. Der Felgenhersteller hat die weltweit erste komplett CO2-neutrale Felge aus recyceltem Aluminium hergestellt, die wir mit testen. Mit Pagid Racing arbeiten wir außerdem an der Entwicklung von weniger umweltbelastenden Abriebmaterialien im Bremsbereich.

 

Inwieweit sind diese ganzen Technologien interessant für durchschnittliche Bürger*innen?

Da sind wir gerade dran! Wir überlegen uns, wo der Einsatz von biobasierten Kunststoffen und Biofaserverbundswerkstoffen möglich ist. Da gibt es meiner Meinung nach in der Automobilbranche gute Ansätze, aber es gilt auch etwas zu berücksichtigen: Im Moment sind Kunststoffe aus fossilen Stoffen billiger als solche aus biologischen Bestandteilen. Allerdings sind letztere wiederum günstiger als Carbon, das heute im Leichtbau dominiert, und somit eine echte Alternative. Wir müssen uns alle bemühen, diesen Planeten zu retten und den Treibhauseffekt nach unten zu drücken. Dafür müssen aber auch entsprechende Technologien gefördert werden und schädliche Technologien sollten zumindest finanziell mehr belastet werden.

 

Quelle: Four Motors/ElfImages Motorsport

Thomas von Löwis of Menar ist der Teamchef des Racingteams „Four Motors“. Nach seinem Start in der Rennsportszene als Fahrer in der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (1987-1992) und einigen anderen Rennen gründet er im Jahre 2000 die Four Motors GmbH. Schon das erste Four Motors Fahrzeug, der Fantastische Beetle, fuhr mit Biodiesel. Das Ziel des Teamchefs: Nachhaltigkeit in den Motorsport zu bringen und Autos für dieses Ziel zu optimieren.

Jobs für die Zukunft

Es wird in Zukunft eine Menge neue Betätigungsfelder auf dem Gebiet nachwachsender Rohstoffe geben. Falls auch du dich für diese und generell eine Wirtschaft mit mehr Nachhaltigkeit interessiert, hätten wir da was für dich:

Quelle: Pexels/Gustavo Fring

Automobil- und Mobilitätswirtschaftler*in

… als Automobil- und Mobilitätswirtschaftler*in verfügst du über wirtschaftswissenschaftliche Kenntnisse und Lösungsansätze für Aufgaben und Probleme in der Automobil- und Mobilitätswirtschaft. Unter anderem setzt du dich auch mit Innovationen und neuen Lösungen in dieser Branche auseinander.

Quelle: Pexels/Artem Podrez

Kraftfahrzeugmechatroniker*in

… als Kraftfahrzeugmechatroniker*in ist es deine Aufgabe Personenfahrzeuge zu warten. Hierbei prüfst du fahrzeugtechnische Systeme, führst Reparaturen aus und rüstest die Fahrzeuge mit Zusatzeinrichtungen, Sonderausstattungen und Zubehörteilen aus.

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